Kinderyoga in Zeiten des Coronavirus – Zehn praktische Tipps
Ich habe einige Tage überlegt, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben soll. Denn ich will der medialen Überrepräsentation dieses Themas nicht auch noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Dennoch habe auch ich Kurse und mache mir Gedanken. Dazu kommt, dass in Kinderyoga-Gruppen auf Facebook das Thema ebenfalls diskutiert wird. Hier soll es hauptsächlich um praktische Tipps gehen, wie der Kinderyoga in Zeiten des Coronavirus vonstatten gehen kann. Und das leicht, heiter und positiv!
Doch zuerst der Downer. Die Wirtschaft leidet, Flugzeuge bleiben am Boden, die Aktienmärkte kollabieren und die Nachrichten sind voll davon: der Coronavirus hat die Welt im Griff. Und auch die mediale: Fast stündlich prasseln neue Zahlen von Infizierten, interaktive Karten mit Virus-Herden und Interviews mit Experten auf uns ein. Der Berliner Tagesspiegel zum Beispiel hat eine sauber zusammengetragene Liste angelegt, in der vermerkt ist, an welchem Tag sich jemand in Berlin aus welchem Stadtteil angesteckt hat (und ob er in häuslicher Quarantäne oder stationärer Behandlung ist). Alter! Warum hat noch nie jemand bislang eine solche Liste geführt? Zum Beispiel mit genauen Erfassungen von verunfallten Radfahrern oder vernachlässigten Kindern, mit Influenza-Viren oder – das wäre was in der Hauptstadt! – dem Überqueren über eine rote Fußgängerampel. Sauber geordnet nach Stadtteilen…
Aber zurück zum Coronavirus. Kein Wunder, dass sich viele Bürger aus Angst mit Vorräten eindecken. In den Supermärkten sind neben Toilettenpapier und Desinfektionsmittel auch Nudeln und Mehl ausverkauft. Desinfektionsmittel ist die neue Kryptowährung – wurden unlängst gar Paletten vom Berliner Polizeigeländer und von der Kinderkrebsstation der Berliner Charité gestohlen.
Während viele hamstern, bleiben andere ganz ruhig und setzen auf ihre guten Abwehrkräfte
All das zeigt, wie tief die Angst bei manchen Bürgern mittlerweile nach nur wenigen Wochen sitzt. Und dennoch: Während viele Dosenkonserven hamstern, bleiben andere ganz ruhig und setzen auf ihre guten Abwehrkräfte. Gerade auch unter spirituellen Menschen wie uns Yogalehrern wird das Thema „Coronavirus“ kontrovers diskutiert. Meinungen changieren irgendwo zwischen Panik und Bagatellisieren. Das reicht von „Soll ich als Teilnehmer meine geplante Retreat-Reise absagen?“ bis zum Gegenteil: „Was ist, wenn nun kurzfristig alle Teilnehmer meine Ausbildung stornieren?“ Dahinter steht die Grundsatzfrage: „Muss ich überhaupt als Yogalehrender, der eigentlich gut in seiner Mitte ruht, dem Thema Coronavirus so viel Platz in meinem Leben einräumen, wie es derzeit die Medien tun?“
Ich persönlich denke, wenn wir besonnen und verantwortungsvoll handeln, ist schon einmal viel gewonnen. Das gilt gerade auch im Umgang mit den Kindern, die wir im Yoga unterrichten. Denn unsere Kinder, diese feinsinnigen Wesen, schnappen mehr auf, als wir uns manchmal denken. Sogar im Kindergarten sind die Kids schnell auf Zack. Als ich ihnen erzähle, dass wir heute ein wenig mehr Abstand halten im Sitzkreis, weil ich ein wenig erkältet war, fragt Nils sogleich „Hast du Corona?“ Neben dem Coronavirus sind auch gerade andere Viren ziemlich flott unterwegs: Magen-Darm, Influenza oder Augengrippe sind ständige Gäste in Kindergärten und Co. Da hilft nur: die Abwehr zu stärken, um den Großaufgebot der Viren und Bakterien freundlich, aber bestimmt Einhalt zu gewähren!
Hier kommen einige Anregungen, wie du das Thema „Coronavirus“ ohne Angst und Panik in deinen Kinderyoga-Angeboten behandeln kannst. Voraussetzung: Du bist gesund und fühlst dich stark – und hast keine Vorerkrankungen. Wenn du dich körperlich angeschlagen fühlst und gesundheitliche Probleme hast, spüre in dich hinein und entscheide für dich, was am besten ist.
- Eigentlich ist es, wie immer: Bitte alle Kinder vor dem Hineinkommen in den Yogaraum die Hände gewaschen zu haben. Denn getreu von Sauca, einem der Niyamas von Patanjalis achtgliedrigem Pfad, sollten wir sowieso stets reinlich auf der Matte erscheinen. Also kein großes Ding! Du solltest Papiertücher und ausreichend Seife zur Verfügung stellen. Erkläre, warum du vielleicht aktuell die Matten im Kreis etwas großzügiger ausgelegt hast: „Wir achten verantwortungsvoll und respektvoll aufeinander. Und wenn einer von uns niesen oder die Nase schnäuzen muss, macht er das so, dass sein Nebenmann möglichst nichts abbekommt.“ Ehrlich gesagt sind Kinder – egal, ob in der Schule oder im Kindergarten – eh meist schon aufs Thema „Händewaschen“ geeicht. Nur vergessen sie es womöglich, je älter sie werden…
- Freudvoller Kinderyoga ist natürlich trotzdem drin – auch wenn wir uns nicht so viel wie sonst gegenseitig anfassen. Statt des Aufwärm-Stoppspiels mit Abschlagen nutzen wir vielleicht diesmal das Schwungtuch. Alle Kinder greifen das Tuch und lassen es ordentlich wehen. Dann beginnst du mit Ansagen: „Alle Kinder, die Lasagne mögen, wechseln den Platz!“ – Sofort lassen alle Kinder, die sich angesprochen fühlen, das Tuch los, laufen unter dem hochwehenden Tuch auf die gegenüberliegende Seite und greifen hier erneut das Tuch. Dann ist jemand anderes dran: „Alle Kinder, die Haustiere haben, wechseln den Platz!“ Und so weiter.
- Atemübungen können uns Kraft und Stärke spenden. Die Betonung auf der Ausatmung beruhigt nicht nur Erwachsene, sondern auch ängstliche Teenager. Ich praktiziere derzeit vermehrt die Ujaii-Atmung mit Yogakindern (ab ca. acht Jahren). „Lasst die Atmung so rauschen, als würdet ihr einen Spiegel anhauchen (nur mit geschlossenen Mund).“ Das nenne ich „Darth-Vader-Atmung“ (analog zu meinem Buch „Yoga für dich und dein Kind“).
- Darüber hinaus üben wir eine lichtvolle Schutz-Meditation. Hierbei setzen sich alle Kinder aufrecht hin und schließen die Augen. Lass sie einige Male ruhig ein- und ausatmen und so zur Ruhe kommen. Lass sie sehen, von außen, wie sie da so ruhig sitzen und atmen. Dann dürfen sie sich vorstellen, wie um sie herum ein helles, goldenes Licht erscheint. Es baut sich um den Körper herum auf, so wie ein helles Schutzschild….. Gib ihnen kurz Zeit, das Bild zu visualisieren. Dann kannst du fortfahren und sie bitten, unangenehme Dinge wie Ärger, Sorgen, Streits, Viren … wie kleine Geschosse umherfliegen zu sehen. Diese prallen am hellen, goldenen Schutzschild ab – immer wieder. So dass sich jeder ganz stark und unverwundbar fühlen darf….. Diese Meditation kannst du je nach Alter abwandeln. Ich habe sie vergangene Woche bereits in zwei Kindergärten geübt – mit drei- und vierjährigen Kindern. Fast alle haben die Viren gegen ihre goldene Schutzwand fliegen sehen – swoooossshhhh!
- Asana-Praxis: Hier eignen sich jetzt aktuell alle Rahmengeschichten von Stärke und Mut. Jedes Buch, in dem es um innere Power geht, ist jetzt perfekt. Jeder Superhero ist willkommen! Du kannst Superman, Hulk oder Spiderman yogisch mit den Kindern darstellen. Und jeweils verbal an ihre eigene Stärke, an ihre robuste Widerstandskraft (für dich: Resilienz) appelieren. Ideal sind die Krieger-Haltungen, außerdem natürlich Klassiker wie der Baum, die Katze, der Hund oder Delfin – diesen Asanas wird immunstärkende Wirkung nachgesagt.
- EFT – Emotional Freedom Techniques: Diese Übungen eignen sich bestens, um Ängste und Selbstsabotage zu beenden. Und ich bin mir sicher: mit Klopfen können wir auch unsere Widerstandskräfte wecken. Es geht hier um sanftes „Tapping“, das sich schon mit Kindern prima bewerkstelligen lässt. Klopft mit den Fingerkuppen sanft auf dem eigenen Scheitel. Eigentlich klopft man danach bestimmte Partien im Gesicht (unter dem Auge, oberhalb der Nase und am Kinn) – vielleicht warten wir aber damit, bis der Coronavirus abgeebbt ist. Stattdessen kannst du fortfahren, indem du oberhalb des Schlüsselbeins klopfst. Also da, wo die Thymusdrüse zuhause ist, die gut für unser Immunsystem sorgt. Weiter geht’s mit dem Klopfen, diesmal an den Außenseiten der Rippen. Du kannst diese Runde 2-3x mit den Kindern wiederholen.
- In Zeiten des Coronavirus noch mal wichtiger: das Thema Selbstfürsorge. Wenn du größere Kinder oder Teenies unterrichtest, bitte sie, auf Zettel zu schreiben, was sie stark macht. Das können Freunde sein, das Streicheln des eigenen Haustieres, eine heiße Badewanne, der Yoga-Unterricht. Sammele die Zettel anonym ein und lass danach jedes Kind einen der Zettel ziehen und vorlesen. Diskutiert gemeinsam, was noch zum Thema Selbstfürsorge gehört.
- Auch größere Kontexte wie „Fülle“, „Sicherheit“ oder „Was brauche ich unbedingt zum Leben?“ sind jetzt aktuell und ideal, um sie in Teenieyoga-Gruppen yogisch mit Leben zu füllen.
- Bei Eltern-Kind-Yoga-Workshops: Nimm die Sorgen der Eltern, die zu dir kommen, ernst – egal, ob du sie teilst oder für überzogen hältst. Daher beschränke Berührungen am besten in der Zeit von erhöhter Coronavirus-Ansteckung nur aufs eigene Kind. Sprich: Keine Gruppenübungen, in denen sich alle berühren.
- Auch wenn das Wetter noch nicht durchgängig zum Outdoor-Yoga einlädt: Vielleicht ergibt es sich, dass zumindest ein Teil der Kinderyoga-Stunde draußen stattfinden kann. Frische Luft und Ausflüge in die Natur minimieren die Ansteckungsgefahr und sorgen für ein starkes Immunsystem!
Ein praktischer Tipp noch: Wenn du – wie ich – zu denjenigen gehörst, die sich nicht mit Desinfektionsmitteln eingedeckt haben (und du auch nicht horrende Preise im Internet zu zahlen bereit bist), mach dein Reinigungsspray für Matten und Hände einfach selbst. Aus wenigen Inhalten wie Alkohol, Teebaumöl und Aloe Vera Gel lassen sich prima eigene Desinfektionssprays herstellen. Ein Rezept gibt’s hier. Auch Essig ist ideal geeignet, um Oberflächen zu reinigen.
Und noch ein Impuls: Angst schwächt massiv unsere Abwehr. Wer ständig in Angst und Befürchtungen lebt (und wir müssen einfach auf einen guten Ausgang vertrauen), tut seiner Gesundheit keinen Gefallen. Falls du einmal eine etwas andere mediale Darstellung des Coronavirus lesen möchtest, dann sei dir dieser schlaue Artikel ans Herz gelegt.
So, und jetzt verliert bitte weder eure Gesundheit noch euren Humor!