Grenzenlos und universell: Kinderyoga mit Flüchtlingskindern
Auch ich habe manchmal ganz leise Zweifel daran, ob Kinderyoga immer das Richtige ist. Als die Frage aufkam, wie sich jeder einzelne von uns in den Notunterkünften einbringen könne, waren vornehmlich erst einmal andere, rudimentärere Maßnahmen gefragt. Als Wäschepatenschaften und Kleiderspenden sowie Lebensmittelspenden ins Rollen gekommen waren, fragte ich mich erneut kritisch: „Was kann ich außerdem tun gegen die gähnende Eintönigkeit in den Flüchtlingsunterkünften? Brauchen syrische und irakische, traumatisierte Kinder wirklich Kinderyoga?“ Kinderyoga mit Flüchtlingskindern? Die Antwort ist erst einmal Nein. Und dann Ja.
Denn – und das ist der Grund, warum wir Kinderyogalehrer so sehr vom Nutzen überzeugt sind: Kinderyoga ist universell. Es funktioniert ohne Worte. Ohne Esoterik und Religion. Ohne schicke Leggings, erstaunliche Biegsamkeit und Instagram-Account. Und wenn es sein muss, auch ohne Matten. Es funktioniert einfach für alle Kinder. Denn Kinder sind offen, neugierig, wissbegierig und erschließen sich ihre Welt ganz spielerisch.
Kürzlich hat Felicitas von Kidding Around Yoga in einem Blogeintrag beschrieben, wie überwältigend sie in einer Flüchtlingsunterkunft die Kinderyoga-Stunde empfunden hat. In ihrem lesenswerten Artikel schreibt sie, dass Yoga genau hier seine Dienste erweist: Mit der Freude an spielerischer Bewegung, über Sprachbarrieren und kulturelle Eigenheiten hinweg.
Lange geplant und dennoch spontan umgesetzt war dann auch mein Einsatz in einer Notunterkunft. Ich hatte keine Infos zur Altersstruktur, Zahl der Kinder, Herkunftsländern bekommen. Und Do’s und vor allem Don’ts hatte mir auch niemand als Rüstzeug mitgegeben. Mit klopfendem Herzen betrat ich die Unterkunft. Und gleich ein kleiner Dämpfer: Das kuschelige Spielzimmer konnte kurzerhand nicht fürs Kinderyoga genutzt werden. Nix mit kleiner, ruhiger Runde. Rein ins Getümmel. Also breiteten wir in der hintersten Ecke der Turnhalle einige Decken aus. Schwupps, saßen Kinder in Viererreihen auf den Decken. Und es kamen immer mehr. Und Mütter. Omas. Väter. Große Brüder. Die Security.
Was da mit erwartungsfrohen Blicken und in strahlenden Kinderaugen an Emotionen zu mir herüberschwappte, das lässt sich nur fühlen, nicht beschreiben. Ich begrüßte die Kinder, sang ein Aufwärmlied – und bei allem waren die Kids ganz nah und genau dabei. Mit den Yogakarten wurde es ganz leicht: Ich sagte „Sonne“, sofort wiederholten es alle und ahmten meine Körperhaltung mit den in die Luft gereckten Armen nach. Hund, Katze, Maus, Baum, Frosch, Schmetterling – das versteht doch jedes Kind, oder? Eben! Deutsch lernen mit Bewegung: Der von Petra Proßowsky propagierte Weg in die Schulen – hier findet er seinen Ausläufer.
Eine Klangschale dagegen hatten die Bewohner der Notunterkunft noch nie vorher gesehen. Ich stellte jedem Kind die klingende Schale auf die Beine und ließ sie die Vibration im Körper erspüren. Selbst in diesem wuseligen Chaos – Kinder kreuz und quer, schubsend und rangelnd, Mütter, die immer weiter kleinere Kinder brachten und an mir zupften – schlossen einige Kinder die Augen, um für einen Moment ganz im Moment zu sein.
Yoga Limbo, ausgeliehen aus dem Repertoire von Kidding Around Yoga, dagegen fühlte sich dann an wie die zum Leben erweckte, wilde Kinderhorde am Schluss von „Emil und die Detektive“. Lautstark ahmten die Jungs und Mädchen meine Bewegungen nach und erschlossen sich so auch den restlichen Teil der Turnhalle.
Am Ende beklatschten wir uns gegenseitig. Die Stunde hielt einem vor Augen, wie unterfordert die Kinder in den Notunterkünften sind. Wie sie nach Abwechslung zehren. Wie rau und grob die Kinder miteinander umgehen. Und nein, machen wir uns nichts vor: Nicht nur Kinderyoga kann diese Lücke füllen. Fußball wäre auch großartig. Radfahren. Jonglieren. Deutsch lernen. Oder alles andere, das ihnen zu ein wenig Bewegung und Beschäftigung verhilft.
Ich weiß auch jetzt nichts über Altersstruktur und über die Herkunftsländer der Kinder. Ich weiß nur: Nächste Woche gibt’s wieder Kinderyoga. In der großen Halle. Für alle.