Warum Kreativer Kinderyoga für weniger Trigger und Ohnmachtsgefühle sorgt
Herausfordernde Situationen im Kinderyoga – wir kennen sie alle. Was du tun kannst, um dir den Druck zu nehmen und gleichzeitig kreativ mit den Kindern zu sein, habe ich dir hier skizziert.
Ein kleines Schock-Szenario zu Beginn
Stellen wir uns folgende Situation vor: Du bist Yogalehrerin für Erwachsene und deine Schüler*innen kommen pünktlich zum Kurs. Du beginnst die Praxis gemeinsam mit allen im aufrechten Sitz mit gekreuzten Beinen und dreimaligem Tönen von OM. Danach leitest du einen klassischen Vinyasa-Flow an: mit Sonnengruß-Variationen, Standhaltungen usw. Nach dem ersten Sonnengruß steigt der erste deiner Kursteilnehmer*innen aus. Er/Sie steht auf, holt sich ein Bolster und beginnt damit, eine Yin Yoga-Haltung einzunehmen.
Du bist irritiert über diese Ablenkung, bleibst aber bei deinen Notizen und fährst fort mit den geplanten Flows. Zwei weitere Schüler*innen stehen von ihrer Matte auf und beginnen, sich am Ende des Raumes zu unterhalten. Es scheint, als wären sie unzufrieden mit deinem Unterricht. Diese Situation ist dir sehr unangenehm. Du merkst, dass du sie nicht abholen kannst, nicht in deinen Unterricht integrieren kannst. Das macht dir Schuldgefühle, denn du fühlst dich für die Gruppe verantwortlich. Hilflos und sichtlich gestresst machst du weiter mit deinem Programm. Zum Ende hin haben sich weitere Teilnehmer*innen dem Yin Yoga-Praktizierenden angeschlossen und halten Asanas passiv. Wieder andere praktizieren derweil eine viel herausforderndere Praxis, als du sie angesagt hattest. Mit einer Handvoll Teilnehmer*innen bringst du die Stunde wie von dir geplant zuende. Als du nach der Stunde deine Schüler*innen um ihr Feedback bittest, hörst du folgendes: „Ich dachte, es wäre eine Yin Yoga-Klasse“ und „Ich wollte eigentlich zum Power Yoga“. Die beiden Schüler*innen, die sich so „respektlos“ unterhalten haben, beschweren sich, dass du gar keine Kundalini-Praxis unterrichtet hast.
Was sich wie der Albtraum eines Yogalehrers anhört und zugegebenermaßen nur ersponnen ist, ist in meinen Augen vergleichbar mit der Realität vieler Kinderyogalehrer*innen.
Sie gehen in Schulen, Kindergärten oder Studios, mit einem schönen, erarbeiteten Konzept im Gepäck. Ein Konzept, von dem sie sich erhoffen, dass es allen Kindern gefällt. Doch schon nach wenigen Minuten fängt XY an, im Raum herumzulaufen. Ihm ist dein Angebot leider zu langweilig. Und AB und CD fläzen sich auf die Matte und rollen sich ein. Du vermutest, dass sie nach dem langen Sitzen in der Schule total groggy sind und eher entspannendes Yoga suchen. Du willst allen einen schönen, harmonischen Kinderyoga-Unterricht bieten und bleibst bei deinem Konzept – irritiert, verunsichert, aber nicht in der Lage, alle Bedürfnisse im Raum zu bedienen. Dies ist aber ist dein Anspruch – und so kannst du in deinen Augen hier nur scheitern. Die wenigen Kinder, die wirklich dein Angebot mitmachen wollen, fühlen sich – genau wie du – sichtlich gestört von dem Herumlaufen, von den Ablenkungen der wilderen Kinder. Doch was sollst du machen? Laut werden? Sie herausschmeißen? Aufgeben?
Was tun, wenn du dich von den Kindern permanent getriggert fühlst?
Immer wieder begegnen uns solche Situationen. Sie sind nicht die Regel. Doch welcher Kinderyogalehrer hat – gerade auch in den ersten Jahren seines Unterrichtens – noch keine Erfahrung mit „Störern“, mit „schwierigen Gruppen“ gemacht? Die Anforderungen an uns Kinderyogalehrer sind gestiegen. Und es wird auch nicht leichter, wenn immer mehr Institutionen Kinderyoga quasi als Allheilmittel für bewegte Kinder anpreisen. Kürzlich rief mich eine Mutter an und fragte nach meinen Kursangeboten. Die Lehrerin hätte in der Schule empfohlen, dass ihr Siebenjähriger, der sehr lebendig sei, entweder zur Ergotherapie oder zum Kinderyoga geht. BÄM.
Was hier aufeinanderprallt, sind gleich mehrere Faktoren:
Erstens der hohe Anspruch der Kinderyogalehrer an sich selbst. Viele fühlen sich zu 100% für das Gelingen des Unterrichts verantwortlich. Man häuft Material und Konzepte an, die niedlich aussehen und sich schön lesen. Aber Konzepte sind starr und unbeweglich – und vielleicht ist dieses Konzept gar nicht für diese spezielle Kinderyoga-Gruppe geeignet. Sobald Kinder unruhig werden, fühlen wir uns dann abgelehnt und getriggert. Noch dazu hält die Ansammlung von viel Material im Kinderyoga die Kids oftmals zu sehr im Außen. Sollte es beim Yoga aber nicht gerade um ein Nach-Innen-Schauen gehen? Viele Stundenbilder, die ich im Laufe meiner Kinderyoga-Praxis gesehen habe, sind zudem mit sehr viel (altmodischem) Zuckerguss behaftet. Noch dazu haben sie oftmals keinen Anfang und kein Ende, sind nicht wirklich fesselnd. Da geht es um verklärte Blumenwiesen, brave Reime von Bienen und Blüten und bunte Schmetterlinge. Versteht mich nicht falsch: Solche Stundenkonzepte sind total fein und können sicherlich für viele Kinder genau das Richtige sein. Aber holt man mit Stundenbildern von Blumenwiesen und Bienchen unbedingt die wilden Jungs ab? Sollten die Rahmengeschichten, die wir im Kinderyoga erzählen, nicht auch mitreißend sein und kreativ und einen Spannungsbogen haben? – Und so fühlt sich so mancher Kinderyogalehrer nach der Praxis überfordert und ausgebrannt. Wieder hat es nicht geklappt, alle Kinder zufriedenzustellen. Der hehre Anspruch, gestressten Kindern Achtsamkeit und yogisches Miteinander für mehr Seelenfrieden und Resilienz mitzugeben, scheitert in der Praxis.
Ein weiterer Faktor, der es den Kinderyogalehrern nicht gerade einfacher macht, ist in meinen Augen seine Außenwahrnehmung. Auch hier: viel Betulichkeit, viel Zuckerguss. Viele haben beim Wort „Kinderyoga“ ein verzogenes Bild vor Augen. Entweder ist es das von Kindern, die einfach Yoga für Erwachsene nachahmen. Oder das des lieben Kindes, das mit geschlossenen Augen im Lotussitz sitzt und meditiert. Kinderyoga ist aber ganz anders. In meinen Stunden ist es wild und laut und chaotisch und oftmals macht einer mal sein eigenes Ding. Mich stört das wenig, vorausgesetzt, unsere Yoga-Regeln werden eingehalten. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass der Ausreißer irgendwann wieder von sich aus einsteigt. Und selbst, wenn er die ganze Stunde nicht aktiv mitmacht, dennoch etwas von unserem Unterricht mitnimmt. Von der Stundenskizze, die ich mitbringe in den Unterricht, haben wir uns manchmal am Ende himmelweit entfernt.
Drittens: Dass Kinderyoga mittlerweile auch in kleineren Städten angeboten wird und in immer mehr Einrichtungen einzieht, ist wunderbar und genau das, was wir Kinderyogalehrer uns alle wünschen. Allerdings denke ich, dass mit den gestiegenen Ansprüchen auch der Bedarf an qualifiziert ausgebildeten Kinderyogalehrern wächst. Ein Ergotherapeut verfügt über eine mehrjährige Ausbildung. Eine fundierte Yogalehrerausbildung für Erwachsene dauert mindestens 200 Stunden. Kinderyogalehrer*in dagegen kann man manchmal schon nach zwei Tagen Ausbildung werden. Um den verschiedenen Ansprüchen der Kinder gerecht zu werden, braucht es aber neben Erfahrung und Geduld auch ein großes Repertoire. Und eine pädagogische Haltung, die man sich nicht in zwei Tagen aneignet. – Ganz klar also, dass hier Anspruch und Wirklichkeit oftmals auseinander gehen.
Du fragst dich, warum ich das Eingangsbild von dem Erwachsenen-Yogalehrer herangezogen habe?
Nun, im traditionellen Yoga gibt so viele unterschiedliche Stile, da ist für jeden etwas dabei. Es gibt kraftvolles Ashtanga-Yoga und herausforderndes Power-Yoga, fließendes Vinyasa Yoga, restoratives Yin Yoga und so weiter. Und wer Chanten und Kriyas mag, fühlt sich sicher beim Kundalini Yoga gut aufgehoben. So viele Yogarichtungen für Erwachsene!
- Warum ist es so, dass sich jeder erwachsene Yogaschüler nach seinem Gusto seinen persönlichen Yogastil heraussuchen darf, wir aber als Kinderyogalehrer den Anspruch haben, ALLE Kinder mit unserem Angebot abzuholen?
- Wo sind die Power Kids Yoga-Kurse für bewegungsintensive Jungs?
Nun willst du aber endlich wissen, warum Kreativer Kinderyoga für weniger Trigger und Ohnmachtsgefühle sorgt!
Vielleicht hast du nur der Überschrift wegen den Artikel angeklickt. Und vielleicht bist du – so wie ich zu Beginn meiner Kinderyogalehrer-Tätigkeit – wirklich nur daran interessiert, schnelle Lösungen für deine wilden Stunden zu bekommen. Ich kann dich verstehen. Hier also meine Instant-Tipps:
- Kreativer Kinderyoga heißt, sich vom Konzept zu lösen und zu schauen, was die Kinder JETZT brauchen. Also: Konzept weglegen, Material wegräumen und erstmal eine Fragerunde starten: „Was wollt ihr machen?“
- Wenn du es schaffst, dich vom Konzept zu lösen und keine Pläne hast, ist die Tür offen für Kreativen Kinderyoga. Merkst du, wie du deine Erwartungen loslässt? Wenn du entspannter bist, sind es die Kinder ebenso!
- Spielt ein Spiel, danach macht ihr ein wenig Yoga. Und vielleicht lassen sich die Yoga-Positionen in das Spiel integrieren?
- Wenn es dir zu wild und zu laut ist, sprich deine Gefühle an. Nimm dich als Teil der Gemeinschaft wahr. Das erleichtert zusätzlich.
- Versuch, die wildesten Kids einzufangen, indem du ihnen vorübergehend mehr Aufmerksamkeit schenkst. Zum Beispiel, indem du sie für den Rest der Stunde zu deinem Assistenten machst. Oder zu dem, der die Regeln des Yogaspiels erklärt.
- Sei dir gewiss, so wie dir geht es vielen Kinderyogalehrer*innen. Du bist nicht allein. Such dir Verbündete, eine Gemeinschaft für den Austausch. Zum Beispiel unsere PLUS.Kinderyoga.de-Community mit regelmäßigen Online-Treffen.
Es ist an der Zeit für einen neuen, modernen Kinderyoga. Einen Yoga, der vom Kinderyogalehrer viel Flexibilität und Kreativität fordert. Aber dafür ein Loslassen von starren Konzepten mit sich bringt (die noch dazu vielleicht, ganz vielleicht eher uns Erwachsene ansprechen als coole Kids?). Und – endlich – ein Loslassen des großen Anspruchs, ALLE Kinder zu befriedigen! Ein moderner Kinderyoga wächst durch seine kreativen Ideen und dem Platz, den er dem Input eines jeden einräumt. Ein moderner Kinderyoga lebt von frischen Rahmengeschichten auch einmal abseits von Blumenwiese und Co. – damit auch wilde Jungs sich „abgeholt“ fühlen. Er erfordert viel Bauchgefühl und Intuition, eine große Portion Achtsamkeit und Kreativität sowie eine große Präsenz vom Unterrichtenden. Es verlangt Mut, sich vom Stundenkonzept zu lösen. Und den Mut, dass es laut werden darf und wild und auch chaotisch. Ein moderner Kinderyoga findet auch dann statt, wenn Kinder mal herumlaufen. Vielleicht brauchen sie gerade die Bewegung, um das Gelernte zu Verarbeiten. Sei dir gewiss: Auch die unruhigeren Kids nehmen viel Yoga mit nach Hause. Solange DICH als Kinderyogalehrer das nicht stört, wird es zunehmend auch die anderen Kinder gar nicht so irritieren, wie du vielleicht denkst. Denn – und das hat mir mein Mentor Thomas Bannenberg mitgegeben: „Alles, was du machst, ist für die Kinder Yoga“. Und dieses Yoga-Verständnis geht weit über die Matte hinaus.
Wie könnte also ein moderner Kinderyoga praktisch aussehen? Dieser könnte einerseits durch differenzierte Kinderyoga-Angebote erfolgen. Angebote, die sich die Kinder – analog zu den Erwachsenen – nach ihren Neigungen aussuchen können. Als Beispiele wären Eltern-Kind-Yoga, Teenie-Yoga oder auch Mom-Teen-Yoga zu nennen. Oder eben auch den bereits erwähnten Power Kids Yoga: viel Bewegung, große Dynamik und am Ende eine XXL-Endentspannung.
Die Alternative zu differenzierten Kinderyoga-Angeboten ist in meinen Augen ein breit gedachter und vielseitiger Yoga für jedes Kind. So mitreißend und kreativ, dass sich jedes unserer Kinder von ihm abgeholt fühlt. Mit der Möglichkeit für jeden, sich und seine Ideen kreativ einzubringen.
Wie dir mein Online-Kurs helfen kann, diese Sicht zu verinnerlichen
In meinem Online-Kurs „Weniger ist mehr – Kreative Kinderyogastunden wie nie zuvor“ (Start: 28. April) vermittle ich dir in acht Wochen differenzierte, sofort anwendbare Tools, um mit wenig Material, dafür aber viel eigener Kreativität begeisternde Kinderyogakurse zu unterrichten. Du lernst, mit wenig Material schöne Stunden zu kreieren, die Vorbereitungszeit enorm zu verkürzen und deinen Mindset jenseits von Erwartungen auf positive Vibes umzustellen.
Noch bis Ende Februar erhältst du die Weiterbildung zum Sonderpreis.