Kreativer Kinderyoga – was genau ist das?
Kürzlich hat mich eine Kinderyogalehrerin gefragt, was genau ich unter „kreativem Kinderyoga“ verstehe. Und ob damit gemeint wäre, viel im Unterricht mit den Kindern zu basteln und zu malen. Nun, da muss ich kurz ausholen.
Das Tolle am Kinderyoga ist wirklich, dass allein das Zusammensein mit den Kindern bereits kreativ ist. Denn man weiß nie, was am Ende einer Kinderyogastunde herauskommt. Das ist ein deutlicher Unterschied zum Yoga mit Erwachsenen. Hier hat der Yogalehrer eine ganz andere Vorarbeit: Er hat vorher (mehr oder weniger) ein Konzept erstellt. Dieses setzt er dann im Kurs in die Praxis um. Vielleicht geht der/die Yogalehrerin einmal auf ein spezielles Bedürfnis ein. Doch meistens gibt es nicht viel Feedback von den erwachsenen Schülern, zumindest nicht WÄHREND der Praxis. Wenn du Kinder unterrichtest, geben sie dir ständig und jederzeit Feedback (das ist sicher einer der nachvollziehbaren Gründe, warum Yogalehrer für Erwachsene das Unterrichten von Kindern zu Beginn so anstrengend finden). Du machst dir ein Konzept – und scheiterst manchmal gnadenlos, weil die Kinder eben in diesem Moment etwas ganz anderes brauchen. Wenn das mal nicht kreativ ist!
Es kann also vorkommen, dass du dir eine Asana-Abfolge überlegt hast. Sagen wir „Hund“, „Katze“, „Maus“. Also Adho mukha svanasana, Vierfüßlerstand, balasana. Und du regst an, dass die Kinder sich so bewegen sollten wie eine Katze im Yoga: runder Rücken/Katzenbuckel, dann Wechsel zu gestreckter Vorderseite usw. Die Kinder machen aber etwas anderes, nämlich IHRE Variante der Katze: ein Kind putzt sich mit den Pfoten die Ohren, das andere hat sich in eine Wasser schlabbernde Katze verwandelt. Wieder ein anderes Kind rollt sich plötzlich seitlich zusammen und erzählt, dass seine Katze immer genauso zusammengerollt im Schuhkarton liegt. Währenddessen springen zwei Kinder wild im Raum umher. Auf deine fragenden, hochgezogenen Brauen antworten sie erklärend: „Wir fangen Mäuse“. – Eine Asana, so viele kreative Möglichkeiten.
Zugegeben, zu Beginn des Unterrichtens kann diese Kreativität sehr frustrierend sein.
Denn so ziemlich alles, was du dir vorher überlegt und zurechtgelegt hast, kann zunichte gemacht werden. Das bedeutet Unsicherheit, auch ein Gefühl des „Ausgeliefertseins“ kann aufkommen. Deuten wir Lehrer dieses „Vernichten“ jedoch um, heißen diesen Prozess willkommen und öffnen wir uns für die Ideen, die die Kinder unseren Konzepten vorziehen (und wie gesagt, das Feedback von ihnen ist sicher!), kann hier etwas Einzigartiges geboren werden. Etwas, das im Flow geschieht und bei dem Lehrer UND Kinder als Gruppe gleichsam Originäres erschaffen. Das ist für mich kreativer Kinderyoga: Ein Yoga, in dem die Kinder sich komplett mit ihren Ideen einbringen können. Es geht also in allererster Linie darum, Yoga kreativ zu praktizieren. Getreu dem alten Werbeslogan von Apple darfst du einfach einmal Althergebrachtes loslassen und stattdessen „anders denken“: „Think different“.
Kreativer Kinderyoga kann heißen, Asanas gemeinsam und im Unterricht zu modifizieren, zu erfinden. Wir haben schon den „Dieb“ gemeinsam erschaffen, die „Gottesanbeterin“ und für das Kinderyoga-Konzept auf der Basis der Kinderbuchreihe „YoYo und Motte“ Tiere wie den Schlammwurm, das Seepferdchen oder den Hammerhai. Ist das noch Yoga? Ja, das ist es, denn klassische Yogahaltungen bilden die Basis (beim Hammerhai ist es zum Beispiel die Heuschrecke). Achtsam im Flow zu sein und sich ganz dem Tun zu widmen – gewaltfrei in der Gruppe, ohne Hierarchien und hingebungsvoll – auch das sind Bestandteile vom Yogaunterricht mit Kindern.
Ebenfalls toll finde ich Material, welches sich kreativ einsetzen lässt – also immer wieder neu. Getreu dem Motto „Weniger ist mehr“ halte ich es grundsätzlich so, Material nur sehr reduziert einzusetzen. So können Kinder, die eh schon sehr im Außen sind und von Handy und Co. abgelenkt werden, den Fokus besser im Innen halten. Dennoch gibt es Material, das sich vielfältig nutzen lässt und immer neue Einsatzmöglichkeiten bietet. Zum Beispiel ein Kooperationsband. Meins besteht aus einem acht Meter langen Gummiband, das in Schlaufen gelegt und mittig ineinander verknotet wurde.
DIY-Yoga, für wenig Geld – und die Einsatzmöglichkeiten sind so kreativ. Das einzige, das sicher ist: Wenn sich ein Kind in den Schlaufen bewegt, hat dies durch den Gummiband-Effekt auch Auswirkungen auf die anderen. Yamas at its best, sozusagen.
Kreativer Kinderyoga heißt auch, dass der/die Unterrichtende seinen/ihren ganz persönlichen kreativen Stil mit einbringt.
Du bastelst gern, erschaffst etwas händisch? Dann wirst du deiner kreativen Neigung entsprechend vielleicht mit den Kindern auch im Kinderyoga einmal etwas basteln. Deine Leidenschaft liegt eher im Singen? Nur zu – Singen öffnet unsere Kanäle und macht glücklich! Du findest Kontaktimprovisation spannend? Dann wirst du mit den Kindern vielleicht eher raumgreifende und intuitive, berührende Moves durchführen und sie dadurch in ihren achtsamen Bewegungen schulen.
Auch thematisch lässt sich Kinderyoga wunderbar kreativ umsetzen: Mit Kreativitätstechniken, die dir dabei helfen, Yogastunden aus einem Guss zu konzipieren und andererseits individueller zu gestalten. So kannst du dich nach und nach von den Materialien anderer lösen und den Kinderyoga unterrichten, der zu DIR und gleichzeitig zu deiner Gruppe passt.
Für mich bedeutet kreativer Kinderyoga, dass gemeinsam mit den Kindern Originäres entstehen kann – mit wenig Materialien (wenn, dann sind diese auch wieder vielfältig einsetzbar) und mit viel Phantasie. Kreativer Kinderyoga ist nichts für Bequemlichkeiten, für Lehrer, die einen ruhigen (und unrealistischen!) Kinderyoga unterrichten wollen und eine strikte Trennung Lehrer-Schüler anstreben. Kreativer Kinderyoga fordert uns mit allen Sinnen – beschenkt uns dafür aber auch mit einer großen Lebendigkeit und er erfüllt mich oft mit tiefer Dankbarkeit gegenüber den Kindern.
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